Als ich jüngst im Kochbuch „Die sparsame Löfflerin“ von 1919 blätterte, fiel mir ein Begriff besonders auf: „falsche Kapern.“ Ich erinnerte mich an meine Kindheit zurück, die ich im sogenannten „Flüchtlingsviertel“ verbrachte. Unsere Familie war unter den vielen Millionen Heimatvertriebenen, die sich nach dem Krieg auf den beschwerlichen Weg in den Westen machten, um sich dort eine neue Zukunft aufzubauen. Zu unseren Nachbarn hatten wir ein herzliches Verhältnis, denn man teilte die schmerzliche Erfahrung der Zwangsmigration. Diese Erinnerungen wurden gerne bei gemeinsamen Mahlzeiten ausgetauscht und ich lauschte sehr gerne den Erzählungen, die sich oftmals wie spannende Abenteuer anhörten.
Einmal tischte unsere Nachbarin aus Ostpreußen Königsberger Klopse mit Kapernsoße auf und wies ausdrücklich darauf hin, dass es sich um echte Kapern handelt. Da ich weder wusste was echte, noch falsche Kapern waren, klärte sie mich auf. In den Hungerjahren wurden verschiedene Blütenknospen eingelegt, die dann fast genau so gut schmeckten wie die echten Kapern. Die unreifen Blütenknospen des Kapernstrauches, der im Mittelmeerraum zu Hause ist, waren in den mageren Zeiten unerschwinglich teuer. Also fand man in heimischen Blütenknospen einen kostenlosen Ersatz. Unsere Nachbarin verwendete vor allem die Knospen der Kapuzinerkresse. Frau Löffler wiederum empfiehlt in ihrem Kochbuch außerdem allerlei Knospen. Im Frühjahr bieten sich Gänseblümchen, Sumpfdotterblumen, Löwenzahn und Bärlauch an, im Sommer Schnittlauchblüten und Kapuzinerkresse.
Als ich dann zum ersten Mal die falschen Kapern aus Bärlauch-Blütenknospen probierte, erschien mir die Bezeichnung falsch, denn sie schmeckten deutlich aromatischer als die echten Kapern. Eingelegte Bärlauch-Blütenknospen sind keine falschen Kapern, sondern eine echte Delikatesse für sich!
Rezept für echte Bärlauch-Blütenknospen-Kapern
Zutaten
- 50 g Bärlauch-Blütenknospen
- 200 g 5 % Weißweinessig
- 1 Teelöffel Salz
- 1 Teelöffel Zucker
- 1 Teelöffel Pfefferkörner
Zubereitung
Die Bärlauch-Blütenknospen reinigen, trocknen und in ein passendes Schraubglas geben. Die Knospen können auch auf 2 oder 3 kleinere Gläser verteilt werden.
Weißweinessig mit Zucker, Salz und den Pfefferkörnern aufkochen und noch heiß über die Knospen geben, so dass diese gut bedeckt sind.
Das Glas bzw. die Gläser sofort verschließen und abkühlen lassen. Für zwei bis drei Wochen an einem kühlen Ort ziehen lassen.
Nach der Reifezeit habe ich eine würzige Sahnesoße mit Bärlauchkapern zubereitet. Diese schmeckt köstlich zu frischem Spargel und Salzkartoffeln. Das herzhafte Aroma der Bärlauchknospen macht aus der einfachen Soße ein wunderbares Geschmackserlebnis, an das echte Kapern nicht heranreichen, denn zum Vergleich hatten wir ein Glas gekauft. Doch schon ein Blick auf das Etikett genügt, um zukünftig den heimischen „falschen Kapern“ den Vorzug zu geben: „Hergestellt in Griechenland mit Kapern aus der Nicht-EU“.